Verschreibungspflichtige Medikamente ohne Rezept
Alltag in der Apotheke
Es passiert regelmäßig und laut Murphy immer am Wochenende oder wenn kein Arzt mehr zu erreichen ist. Ein dringend benötigtes Medikament ist leer. Schnell zur Apotheke. Man kennt sich ja schließlich, holt das Medikament regelmäßig, dürfte doch kein Problem sein, die Formalie mit dem Rezept kann man ja nächste Woche nachholen. LEIDER NEIN !
So einfach ist es nicht
Die Enttäuschung ist regelmäßig groß, wenn wir in der Apotheke erklären müssen, dass die Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel ohne gültige Verordnung (Rezept) nicht möglich, da verboten ist und empfindliche Strafen nach sich zieht:
• 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AMG: „Arzneimittel, die [durch die Arzneimittelverschreibungsverordnung definierte Stoffe enthalten] dürfen nur bei Vorliegen einer ärztlichen, zahnärztlichen oder tierärztlichen Verschreibung an Verbraucher abgegeben werden. […]“
• 96 Nr. 13 AMG: „Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer […] entgegen § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 […] Arzneimittel abgibt […].
Das bedeutet, der Apotheker (und nicht der Patient!) begeht eine vorsätzliche Straftat, wenn er ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel ohne gültige ärztliche Verordnung aushändigt. Beispiele für Verurteilungen in solchen Fällen gibt es wie Sand am Meer. (Auch wir haben diesbezüglich bereits leidvolle Erfahrung machen müssen und für den guten Willen, dem Patienten zu helfen, teuer bezahlt ! ) Die Konsequenzen reichen von Geldstrafen bis zum Verlust der Betriebs- oder der Berufserlaubnis. Ob sich auch der Patient der Anstiftung zu einer Straftat schuldig macht, ist wohl bisher noch nicht gerichtlich verhandelt worden.
Verschreibungspflicht gilt ab der 1. Tablette
Der Straftatbestand lässt sich weder durch Reduktion der Menge („Ich brauche doch nur 3 Tabletten übers Wochenende“) noch durch sofortige Bezahlung („Ich kann auch das Medikament selbst zahlen!“) aus der Welt schaffen. Es reicht eine einzige Tablette, um gegen geltendes Recht zu verstoßen.
Aber warum ist man hier überhaupt so streng? Wirkung und Nebenwirkung eines Medikamentes können gravierend sein. Die Verschreibungspflicht kennzeichnet solche Arzneimittel, bei denen diese besonders gravierend und gesundheitsschädigend sein können. Darum hat der Gesetzgeber festgelegt, dass ein Arzt die Entscheidung für oder gegen die Anwendung treffen muss. Damit einher geht auch die Verantwortung – sie trägt hauptsächlich der Arzt. Damit dieser eine vernünftige Entscheidung treffen kann, ist eine ausreichende Anamnese, verlässliche Diagnose, gewissenhafte Nutzen-Risiko-Abwägung, genaue Dosisfindung, viel Sachkenntnis und noch mehr Erfahrung nötig.
Theorie und Praxis
Soviel zur Theorie – in der Praxis sieht das manchmal anders aus. Die „Hürde“, um während der Öffnungszeiten der Arztpraxis an ein Rezept zu kommen, erscheint oftmals sehr niedrig. Jedenfalls wird nicht jedes Mal aufs Neue die oben beschriebene Abfolge von Anamnese bis Dosisfindung durchlaufen. Völlig zurecht, das wäre oftmals Zeitverschwendung. Und wenn es doch in der Arztpraxis auch nicht mehr als 1 Minute dauert bis hinterm Tresen eine der „netten Damen“ das Rezept fertig hat, warum stellt sich der Apotheker dann so an? Antwort: Weil die Abgabe eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels ohne gültige Verordnung eine dokumentierte Straftat darstellt – siehe oben.
Was tun?
Zurück zur Situation in der Apotheke. Wenn der Gesetzgeber dem Apotheker unter Strafandrohung die Herausgabe eines verschreibungspflichtigen Medikamentes ohne Verordnung verbietet, wird er doch hoffentlich eine andere Lösung parat haben? Hat er. Den sogenannten „ärztlichen Bereitschaftsdienst“ (GKV-Notdienst), örtlich (bundesweit) unter der Telefonnummer 19292 (116117) zu erreichen. Sie finden ihn in der Dudenhöfer Str. 9, 63500 Seligenstadt oder in der Babenhäuser Str. 29, 63128 Dietzenbach. Dort trifft man dann auf einen Arzt, der einem die nötigen Medikamente verordnen darf. Aber „kann“ er das im eigentlichen Sinn? Ohne Kenntnis des Patienten und seiner Vorgeschichte? Ohne ausführliche Anamnese und Diagnostik? Ohne alle nötigen Fakten für eine gewissenhafte Nutzen-Risiko-Abwägung? In der Realität reicht eine glaubhafte Versicherung des Patienten, hilfreich sind Medikamentenpläne oder Arztbriefe, unerlässlich die Versichertenkarte und im schlimmsten Fall eine kurze Wartezeit.
Es tut uns sehr leid ! Gerne würden wir ihnen entgegenkommen !
So lange uns unter Strafe verboten ist, verschreibungspflichtige Arzneimittel ohne Rezept abzugeben, können wir diese Leistung leider nicht erbringen. Wir bitten vielmals um Ihr Verständnis.
Ihr Team der
Rosen Apotheke
Noch ein Tipp:
RESERVEBLISTER ! Es kann immer mal vorkommen, dass Medikamente zur Neige gehen und kein Arzt oder keine Apotheke erreichbar ist. Immer wieder mal gibt es auch bei Arzneimitteln Versorgungsengpässe. Sie sollten von ihren Medikamenten stets genügend Vorrat haben, um im Notfall einige Tage überbrücken zu können. Eine Möglichkeit wäre, von ihren Arzneimitteln je einen Blister in Reserve zu halten und frühzeitig Folgeverordnungen ausstellen zu lassen.